analog digital analog
Bildsetzkasten
Anfangs Juli 2021 ist meine Rauminstallation BILDSETZKASTEN im Bistro Quai 4- ZHB Luzern.
Er zählt 144 gleich grosse Fächer. In diesen stehen 144 Bildobjekte. Die Regalwand an der Stirnseite des Raums wird zum Baukasten. Denn jedes Bildzeichen kann verschieden gesetzt werden. Dementsprechend verändert sich nicht nur der einzelne Fächerraum, sondern auch die Kleinobjekte bekommen eine andere formale Abfolge und inhaltliche Aussage, weil sie innerhalb der Regalreihen eine andere Abfolge haben.
Interaktion
Otto Heigold platzierte als erster seine 144 Bildobjekte in den 144 Regalen und beauftragte Andreas Weber eine Interaktion mit dem vorgegeben Kasten und den Bildzeichen zu schaffen. Er fotografierte die Regale und delegierte dann seine Aufgabe an ein digitales Programm des Fotoshops, das Bildobjekte unterschiedlicher Ablege-Fächer zerschnitt und und frei zusammenfügte, die Ränder wie auch den Hintergrund verfremdete. Andreas Weber ersetzte 52 analoge Fächer mit seinen digitalen Fotos, alle so gross wie die Öffnungen der Fächer, und dokumentierte fotografisch die Aktion.
Je nach Standort der BesucherInnen erscheinen die Nahtstellen zwischen den zwei Verfahren, die zwei Welten visualisieren, klar oder nicht sichtbar. Die digitalen Bilder überspitzen die Texturen der Kleinobjekte, schaffen magische Bildräume, welche die realen Bildkasten übertreffen.
Künstlerbuch
Es hat spezifische Merkmale. Im Künstlerbuch werden nicht bestehende Werke abgebildet, nicht Werke aus dem vorhandenen Bild-Archiv aufgelistet. Dieses Buch bildet nicht ab. Es ist autonom, visualisiert einen Prozess, der abgestimmt für eine Buchform mit bewusst gewählter Grösse und Aufmachung ist. Für mich muss das Künstlerbuch als sinnliches Objekt zwischen Menschen stehen, vermitteln,neugierig und betroffen machen.
Aktion und Reaktion
Die Dokumentation der Interaktion motivierte mich. Ich stand wie vor einem Spiegel, betrachtete und reflektierte meinen Bildsetzkasten, holte ein leeres Werkbuch mit Spiralbindung auf meinen Tisch. In der Folge transferierte ich die vorliegenden Fotos, meine Erinnerungen, Erlebnisse, Ideen, Visionen auf die neutralen Buchseiten.
Meine Bildwerkzeuge: Bleistift, Kugelschreiber, Farbstifte, Öl kreiden, Marker, Schere, Messer unterstützten mich in meinem Tun.
Das Querformat meines Künstlerbuchs entspricht den horizontalen Öffnungen der einzelnen Regale im Bistro Quai 4. Auf Buchseiten schnitt ich Fensteröffnungen aus. Sie lassen durchblicken, verweisen auf die Fortsetzung im Buch, schaffen gedankliche Verbindungswege zwischen den Formulierungen aber auch zwischen den Freiräumen.
Von Seite zu Seite gab es Wechsel: Ich zeichnete, malte, schablonierte, verletzte, überzeichnete, übermalte, notierte, klebte kleine Fragmente, vergrösserte sie zu grossen Formen, sodass Wechselbeziehungen möglich wurden aber auch Reibung zwischen Zeichen sichtbar wurden, Abweichungen Platz fanden.
Die realen Fächer erinnern mich an Kastenbühnen mit unterschiedlich gestaffelten Kulissen. Sie inspirierten mich, auch Buchseiten als Bühnen zu gestalten Orte, wo Schichten und Geschichten, an eine Dramaturgie gebunden , wo sich wortlos , jedoch konkret mit der Bildsprache vorgestellt werden. Die Sequenzen evozieren eine Handlung in einem Zeitraster. Beim Blättern wechselt das Geschehen, Formen wiederholen sich, ändern sich in ihrer Grösse. Farben setzen Akzente, Relief-stufen machen anschaulich.
Die verletzbaren Bildträger lassen Bildfragmente durchscheinen. Viele Prägezeichnungen verbinden die Vorder- mit den Rückseiten. Die Präge-spuren zeigen sich in Positiv- oder Negativvolumen, lassen sich mit dem Finger, greifen, lesen, entziffern und begreifen. So wird jedes Blatt sinnlich, stiftet den Sinn meines Künstlerbuchs.
Otto Heigold 10. Juli 2021